
Die wahre Geschichte von Jeanne d'Arc
Kaum eine andere historische Persönlichkeit ist so faszinierend und mysteriös wie Jeanne d'Arc. Als einfaches Bauernmädchen steht sie auf der untersten Stufe des feudalen Systems des Mittelalters und doch schafft sie es, die gesellschaftlichen Grenzen zu überwinden und rettet so König und Vaterland vor der Fremdherrschaft der Engländer.
Ihr Auftritt auf der politischen und militärischen Bühne dauert nur etwa zwei Jahre. Mit siebzehn befehligt sie das Heer der Franzosen, mit neunzehn stirbt sie als Hexe auf dem Scheiterhaufen. Neben Galileo Galilei ist sie das wohl berühmteste Opfer der Inquisition.
Anno 1337 bricht zwischen England und Frankreich der Hundertjährige Krieg aus. Aufgrund von unterschiedlichen Rechtsauffassungen in Bezug auf die Erbfolge - im Gegensatz zu England gilt in Frankreich die weibliche Erbfolge nicht - beanspruchen beide Könige den französischen Thron.
Bei Crécy kommt es 1346 zur ersten Schlacht zwischen England und Frankreich. Das englische Heer, das vor allem aus einfachen Bauern besteht, besitzt mit dem walisischen Langbogen eine Waffe, die für die Schlacht entscheidend sein sollte. Während das stark gepanzerte und dadurch träge französische Ritterheer fast bewegungsunfähig ist, prasseln Tausende von panzerbrechenden englischen Pfeilen auf sie nieder. Als die Schlacht vorüber ist, bleiben die Engländer ohne nennenswerte Verluste, während das französische Heer fast vollständig aufgerieben wurde. 1356 wird das Ritterheer König Johanns II. von Frankreich bei Potiers völlig vernichtet. Er wird gefangengenommen und erst drei Jahre später freigelassen, nachdem im Frieden von Brétigny für ihn ein Lösegeld von drei Millionen Goldstücken ausgehandelt wurde. Außerdem tritt Frankreich einige Gebiete an England ab.
Der neue König von Frankreich, Karl V., nimmt allerdings 1369 den Krieg gegen England wieder auf und erobert einen Teil der besetzten Gebiete zurück. Als Karl V. stirbt, besteigt sein Sohn Karl VI., der später wahnsinnig wird, den Thron. Ab 1396 tritt ein Waffenstillstand zwischen Frankreich und England in Kraft, der 28 Jahre dauern sollte.
1412, kurz vor Wiederausbruch des Hundertjährigen Krieges, wird Jeanne d'Arc in Domrémy geboren.
Heinrich V. zieht 1415 erneut gegen Frankreich in den Krieg und schlägt das französische Ritterheer bei Azincourt vernichtend. Burgund tritt nun auf die Seite Englands über (1416) und erkennt die Ansprüche Heinrichs V. auf den französischen Thron an. Die englische Armee erobert die gesamte Normandie (1417). In Paris fallen die Burgunder ein und übernehmen die Herrschaft. Der erst 16jährige Dauphin Karl flieht aus der Stadt, aber seine Mutter, Königin Isabeau, und der geisteskranke König Karl VI. schlagen sich auf die Seite der Burgunder. Am 10. September 1419 wird zu allem Überfluss Johann ohne Furcht, der Herzog von Burgund auf der Brücke von Montereau erschlagen. Dieser Mord, für den der Dauphin Karl verantwortlich gemacht wird, spaltet Burgund noch mehr von Frankreich ab und treibt sie auf die Seite der Engländer. Im Vertrag von Troyes (1420) erklärt Karl VI. schließlich seinen Sohn, den Dauphin, für illegitim und schließt ihn damit von der Thronfolge aus. Zwei Jahre später stirbt Karl VI., sowie auch der König von England, Heinrich V.
Zu diesem Zeitpunkt, als die Spannungen zwischen der Partei der Armagnacs und der Partei der Burgunder am höchsten sind, ist Jeanne d'Arc 10 Jahre alt. Drei Jahre später hört sie im Garten ihres Vaters zum ersten mal Stimmen, die ihr von Gott den Auftrag geben Frankreich von den Engländern zu befreien und den Dauphin in Reims zum König von Frankreich krönen zu lassen.
Im Jahr 1428 sieht die Lage für den Dauphin schlecht aus. Mit den Burgundern im Osten und den Engländern im Norden, welche nun das gesamte Gebiet nördlich der Loire besetzt halten, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis Frankreich komplett erobert ist. Am 7. Oktober beginnt die Belagerung von Orlèans, dem Schlüssel zur Überquerung der Loire und Eroberung der Gebiete im Süden. Im Dezember 1428 verlässt Jeanne das Elternhaus, da sie von ihren Stimmen den Auftrag bekommen hatte, sofort nach Frankreich zu gehen um die Belagerung von Orléans aufzuheben. Ihren Eltern erzählt sie, sie würde nach Burey-le-Petit zu einem Onkel gehen. Dorthin geht sie auch zuerst und wohnt einige Wochen bei ihrem Onkel. Ihr eigentliches Ziel ist aber Vaucouleurs. Sie bittet den Stadtkommandanten von Vaucouleurs, Robert de Baudricourt, sie zum Dauphin zu schicken, doch dieser weist sie zuerst ab. Sie schafft es dann doch ihn zu überreden und man rüstet einen kleinen Trupp aus, der sie nach Chinon zum Dauphin führen soll. Jeanne bekommt ein eigenes Pferd, ein Schwert und legt zum ersten mal Männerkleidung an.
Am 1. März erreicht der Trupp Chinon. Jeanne bittet Karl um Audienz, die ihr schließlich auch bewilligt wird. Sie erklärt dem Dauphin, sie sei von Gott gesandt, der ihr befohlen habe Frankreich von den Engländern zu befreien und ihn nach Reims zu führen, damit er zum König von Frankreich gekrönt werden kann. Der Dauphin ist skeptisch und will erst ihre guten Absichten überprüfen lassen. Zu diesem Zweck wird sie nach Poitiers gebracht und von den Doktoren der dortigen Universität befragt. Auch wird ihre Jungfräulichkeit von einigen Hofdamen untersucht, denn nach damaligem Glauben konnte eine Jungfrau nicht vom Teufel besessen sein. Die Prüfungen ergeben schließlich ein positives Urteil.
Jeanne wird nun nach Tours gebracht, wo für sie eine Rüstung angefertigt wird. Man übergibt ihr außerdem das Lilienbanner. In Blois lässt der Dauphin eine Armee aufstellen. Mit ihr zieht Jeanne d'Arc nach Orléans. Am 29. April zieht sie, von den Engländern unbemerkt, in die Stadt ein.
Während der nun beginnenden Kämpfe um Orléans fällt eine englische Bastion nach der anderen. Die Verluste der Engländer sind immens. Jeanne d'Arc motiviert ihre Soldaten durch ihren Kampfgeist, denn sie ist immer an vorderster Front dabei und kämpft auch weiter als sie durch den Pfeil eines englischen Bogenschützen verwundet wird. Am 8. Mai treten die Engländer den Rückzug an. Orléans ist befreit.
Im Juni beginnt der Loire-Feldzug. Innerhalb einer Woche werden die Städte Jargeau, Meung und Beaugency genommen. Schließlich wird die englische Armee am 18. Juni bei der Schlacht von Patay entscheidend geschlagen. Jeanne d'Arc will nun so schnell wie möglich nach Reims vorstoßen um den Dauphin zum König krönen zu lassen. Zunächst rückt sie mit ihrer Armee nach Troyes vor. Die Stadt lehnt eine Kapitulation erst ab, aber nachdem Jeanne die Erstürmung vorbereiten lässt, ergibt sie sich kampflos. Wenig später kapitulieren auch Châlons und Reims. Der Dauphin wird am 17. Juli in der Kathedrale Notreh-Dame zum König von Frankreich gekrönt. Bei der Zeremonie ist auch der Vater Jeannes dabei, der sie seit ihrem Aufbruch im Dezember 1428 zum ersten mal wieder sieht. Karl VII. empfängt ihren Vater und befreit ihn, sowie alle Bürger von Domrémy und Greux, für alle Zeit von der Steuer.
Nach seiner Krönung geht Karl VII. auf einen kurzfristigen Waffenstillstandsvorschlag des Herzogs von Burgund ein. Jeanne d'Arcs Plan, direkt auf Paris zu marschieren wird damit vereitelt. Als wenig später der Angriff dennoch durchgeführt wird, hatte der Gegner genug Zeit um Verstärkung heranzuführen. Der Angriff wird unter schweren Verlusten der Franzosen zurückgeschlagen. Karl VII. lässt den Waffenstillstand mit Herzog Philipp von Burgund bis zum April 1430 verlängern. Als Geste des Friedens löst er den Hauptteil seiner Armee auf. Erst im Oktober 1429 wird in Bourges eine neue Armee aufgestellt.
Philipp von Burgund nutzt die Waffenstillstände mit Karl VII. für militärische Zwecke. Im April 1430 bereitet er sich darauf vor, Compiègne zu belagern, um sich einen Korridor nach Paris zu sichern. Jeanne d'Arc eilt mit ihrer Streitmacht der königstreuen Stadt zu Hilfe. Sie befiehlt den Ausfall, der auch zunächst erfolgreich verläuft. Doch die Burgunder gewinnen schnell die Oberhand, die französische Armee muss den Rückzug antreten. Um eine Erstürmung der Stadt durch die Burgunder zu verhindern, lässt der Kommandant von Compiègne die Zugbrücke hochziehen und die Stadttore schließen. Jeanne d'Arc, ihrem Bruder Pierre und Jean d'Aulon wird der Rückzug abgeschnitten. Sie werden von den Burgundern gefangengenommen.
Die Engländer versuchen nun alles um die Auslieferung Jeanne d'Arcs zu bewirken. Nach zwei misslungenen Fluchtversuchen wird sie gegen ein Lösegeld von 10.000 Franken, einem Betrag für einen König, an die Engländer ausgeliefert. Diese wiederum überstellen sie der Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche. In Rouen wird ihr am 9. Januar 1431 der Prozess gemacht wegen Verstoßes gegen mehrere Gesetze der Kirche. Der Vorsitzende Richter ist Pierre Cauchon, der Bischof von Beauvais.
Das Urteil des Gerichts steht von vornherein fest. Auch wenn Jeanne d'Arc durch ihre äußerst intelligenten und furchtlosen Antworten bei den Verhören den Richtern kaum einen Angriffspunkt liefert, kann sie sich dem Urteil der heiligen Inquisition nicht entziehen. Jeanne d'Arc wird am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen bei lebendigem Leib verbrannt.
In Arras kommt es vier Jahre später zum Friedensschluss zwischen Frankreich und Burgund. 1437 befreit Karl VII. Paris und bis 1453 gelingt es ihm die letzten von den Engländern besetzen Gebiete zurückzuerobern (mit Ausnahme von Calais). Der Hundertjährige Krieg ist zu Ende, Frankreich befreit. 1450 beginnt der Revisionsprozess, dessen Urteil 1456 in Rouen verkündet wird und den Verurteilungsprozess für null und nichtig erklärt.